2016. Erster Versuch Mont Blanc
2016-09-18
Am 10. September 2016 ist es dann endlich so weit. Seit Wochen liegt ein stabiles Hoch über den Alpen – die optimale Voraussetzung. Wir sind topfit und fühlen uns bestens vorbereitet. Zahlreiche Trainingskilometer, Berg- und Klettertouren im Allgäu liegen hinter uns. Der Rucksack ist gepackt. Ob alles, und vor allem so wenig wie möglich, drin ist, wird sich bald herausstellen. Die Aufregung steigt. Am 16. September treffen wir unseren Bergführer Andreas in Chamonix. Da bahnt sich bereits ein Wettersturz an und macht die erste Planänderung nötig: Statt der Eingehtour auf den 4.061 m hohen Gran Paradiso im Aostatal geht es auf die Turiner Hütte. Diese erreichen wir von Courmayeur aus. Als Eingehtour besteigen wir am nächsten Tag die 3.534 m hohe Aiguille de Toule am Mont-Blanc-Massiv – auf italienischer Seite. Die Bedingungen sind alles andere als ideal, dennoch machen wir das beste draus: tiefster, eisiger Winterlandschaft, viel Nebel bei 15 cm Neuschnee. Die majestätische Kuppel des Mont Blanc selbst bleibt hinter einer grauen Wolkenwand verschwunden.
Der eigentliche Aufstieg zum Mont Blanc ist für den nächsten Tag geplant. Startpunkt: Les Houches. Doch die dunklen Wolken verhüllen nicht nur unser Ziel, sondern bringen über Nacht auch einen halben Meter Neuschnee. Konsequent entscheidet sich unser Bergführer gegen den Gipfelanstieg, das Risiko ist zu hoch. Wir müssen abbrechen, es gibt keine Alternative – der Berg hat hier das letzte Wort. Der Schock sitzt tief. Wir lernen Demut. Eine harte Prüfung für unser Durchhaltevermögen. Die winterliche Wetterfront lässt außerdem, jetzt am Ende der Saison, keinen erneuten Versuch zu. Wir müssen den Aufstieg auf das nächste Jahr verschieben.
Unsere Enttäuschung ist riesig. Alles umsonst gewesen? Würden wir ein weiteres Jahr durchhalten? Uns erneut für das große Ziel motivieren können? Das umfangreiche Training wieder aufnehmen, den Fokus nur auf dieses Vorhaben richten können und noch einmal mit viel Disziplin dranbleiben? Was würde unser innerer Schweinhund dazu sagen, was unsere Familien und Freunde?
Doch bei unseren Gesprächen wurde uns bewusst: Der Weg bis kurz vors Ziel hat uns reich an wichtigen Erfahrungen gemacht. Hat uns viel gelehrt und unvergessliche Momente geschenkt. Diese Hochtouren-Welt hat etwas mit uns gemacht, uns berührt, gefangen genommen. JA! Wir wollen dranbleiben, weitermachen. Nächstes Jahr, neuer Versuch – dann mit noch mehr Respekt und einem neuen Bewusstsein für diese alpine Herausforderung. Unsere anfängliche Naivität haben wir verloren. Wir wissen besser einzuschätzen, was uns im zweiten Anlauf erwartet. Wir wissen, was wir zu überwinden haben! Die Berge sind wunderschön und faszinierend, aber man muss ihre Gesetze akzeptieren, damit es nicht in einer Tragödie endet.