2017. Angsthase!
2017-08-08

In letzter Zeit haben wir oft den Satz gehört: „Das würde ich mich nie trauen!“ Kommt uns bekannt vor und daher hier mal einen Einblick in die Wanderseele von Gitta.

Meine allererste Tour ging gleich über den Heilbronner Weg. Damals noch schön im karierten Blüschen, gänzlich funktionsfrei. Die große Klappe vom Vorabend auf der Rappenseehütte hatte ich längst in klapprige Wackelpudding-Beine getauscht. Oh je – da ging es ganz schön hinunter, als es die Leiter hinauf ging.Bei dieser ersten Tour ist zwar meine große Liebe für das Bergwandern entflammt, mit ihr aber auch der Respekt vor Fehltritten jeder Art und zweimal mehr vor schwindelerregenden Höhen und erst recht ausgesetzten Graten geboren.

In der Folge habe ich um alles XXL-luftige einen großen Bogen gemacht. Ich erinnere mich an einen Abend auf der Fiderepass Hütte. Mein Blick respektvoll nach oben auf den Mindelheimer Klettersteig gerichtet, die Wagemutigen im Blick, die sich tollkühn von Schafsalpenkopf zu Schafsalpenkopf hangelten. „NIE! Nie würde ich es da hinauf wagen!“, entfuhr es mir. Unverzüglich und lässig bekam ich damals die Antwort vom Hüttenwirt, die mich heute noch ermutigt, neue Wege zu gehen (ins Hochdeutsche übersetzt): „Wenn du das erst ein paarmal gemacht hast, gewöhnst du dich daran. Dass ist so, wie wenn ich über den Kölner Ring fahren müsste.“

Es hat Jahre zwar gedauert, bis ich mich an meinen ‚Kölner Ring‘ in den Bergen gewagt habe, aber Schritt für Schritt wurde es luftiger um mich herum. Und der Mut wurde jedes Mal belohnt. Vor zwei Jahren ging es dann wieder über den Heilbronner Weg und siehe da – avec plaisir. Jeder Schritt ein Vergnügen und am Leiterchen musste ich schmunzeln. Wie recht Hubert doch hatte. Übung macht den Meister!

Als ich in zarten Alter von 50 ins Hochtourengehen eingestiegen bin, wurde die Messlatte an Luftigkeit erneut nach oben gelegt. Die ‚schmalen Wegle‘ wie meine mutige Mutter, immerhin 87 Jahre alt, die schmalen Gratpassagen bezeichnet, bieten links und rechts außer Nichts wirklich Nichts. Als Marie und ich uns die ersten Bilder zum Aufstieg auf den Gipfel des Mont Blancs angesehen haben, wurde mir direkt heiß und kalt. Ich musste schlucken. Würde ich es je schaffen in über 4000 Meter Höhe stundenlang fast freischwebend auf schmalem Grat luftschnappend zu stapfen, fragte ich mich mehr als einmal. Rittlings wäre hier keine gute Lösung. Wie verhindern, dass doch Panik und eine Blockade Besitz von mir ergreifen würden? Marie hatte damit keine Probleme. Das half schon mal sehr – sie strahlt bei jeder Gratwanderung Ruhe und Gelassenheit aus, die ich dankbar in mir aufsauge. Wenn wir mit Andreas unterwegs sind, setzt er noch einen drauf. Mit beiden unterwegs und jeder Grat wird für mich zum Vergnügen.

Ich habe einiges gemacht, damit ich heute sehr viel entspannter der Ausgesetztheit begegne. Hier meine persönlichen Tipps für alle, denen es ähnlich geht:

  1. An sich glauben!
    Wir können viel mehr, als wir uns zutrauen.
  2. “The more you practice the more it becomes your second nature“.
    ...womit wir wieder beim Hüttenwirt von der Fiderepass Hütte wären.
  3. Atmen! Ruhig atmen. Ooohhmmmmm.
  4. Fokussieren. Konzentrieren.
    Nur der nächste Schritt zählt. Kein was könnte passieren. Kein abschweifen.
  5. Grivel G12! Ich liebe diese Steigeisen.
    Ja nicht am Material sparen. 7:00 Uhr. Breithorn. Die Sonne scheint. 12 Zacken und der Stiefel hält.
  6. Visualisieren.
    Mein Smartphone ziert eine grandiose Luftaufnahme vom Mont Blanc Aufstieg. Jedes Mal, wenn ich es zur Hand nehme, habe ich den Grat im Visier. Gefällt mir.
  7. Mehr wertvolle Tipps habe ich hier erhalten: Schluss mit der Angst! Ulligunde hat einen tollen Blog, geht mutig voran und schreibt ermutigend frisch.
  8. Mentaltraining.
    Für Kletterinnen empfiehlt sich ein Mentaltraining bei Melanie in ihrer Kletterwerkstatt in München. Das macht Spaß, bringt neue Perspektiven und den nächsten Klettergrad an der Wand.
  9. Für Leseratten: Rock Warrior: Der stärkste Muskel ist der Kopf. Ein Buch von Arno Ilgner.
  10. Das Wichtigste zum Schluss:
    Die richtigen Seil- und Bergpartner. Ich habe die Besten!
    Ernsthaft: überlegt gut, wer mit euch am Seil und auf dem Weg ist.