2017. Gipfeltag. Bange Stunden im Vallot Biwak
2017-07-08

Der Aufstieg kostet mir plötzlich unendlich viel Kraft. Starke, pfeifende, peitschende Windböen rauben mir alle Kräfte. Der steile und vereister Hang bis zur Vallot Sattel wird mir plötzlich und völlig unerwartet zum Verhängnis. Ein Drama bannt sich an. Es ist mir von jetzt auf nachher unwohl Ich spüre es zuerst im Magen. Ein mulmiges Gefühl. Wird mir schwindelig. Eiskalt. Ich habe zu wenig an. Nicht genügend Schutz gegen dieser Kälte und gegen den eisig blähenden Wind. Ich kämpfe gegen das Gefühl ohnmächtig zu werden. Das kenne ich schon von anderen Erfahrungen. Ich muss schnell in die Hocke gehen. Möchte mich im Schnee kurz hinlegen. Andreas, der vor mir in der Seilschaft läuft, spürt schon, dass ich ziehe. Er sagt, "Marie, weitermachen. Unbedingt weitermachen. Bis zum Sattel!" Klar, der Hang ist eisig, rutschig und eine Seilschaft kommt an unsere Ferse. Es ist noch dunkel. Vielleicht 4:30. Andreas führt uns ins Vallot Biwak. Der Notunterkunft. Ein Blechschachtel auf einer exponierte Bergnase gebaut. Wir kriechen hinein. Zumindest ich. Auf die Vieren! Der Blick in der Biwak ist furchtbar. Ganz weit die Bergromantik. Überall liegen zerfetzte Rettungsdecken, Folien aus dünnem Aluminium, Abfall von Powergels und Müsliriegel, die anderen Alpinisten in der Not liegen lassen haben. Keiner räumt hier auf! Es stinkt und sieht trostlos aus. Aber es ist windstill.

Wir setzen uns hin und ich will mich hinlegen. Genau wie diese zwei Alpinisten, zwei Mumien, die irgendwie vor sich hin "pennen"! Vielleicht sind sie auch entkräftet? Gitta und Andreas versuchen mich mit heißem Tee, Schoko-Riegel. Nichts hilft. Mir ist einfach kalt. Sehr kalt. Gitta merkt dass ich im ganzen Körper zittere; Schüttelfrost? Und nun wie geht es weiter?

Andreas überlässt mir/uns die Entscheidung. Er macht aber deutlich, dass es im nächsten Abschnitt bis zum Gipfel noch heftiger wird. Der Wind lässt nicht wirklich nach. Er hat die heranziehende Föhnwolke erspäht. Eine Bergrettung da oben, bei diesen Bedingungen, ist ausgeschlossen. Also, wenn ich hoch komme, muss ich auch die Kraft haben, runter zukommen.

Es ist für mich Schluss. Mein Entscheid ist blitzschnell getroffen, weil eindeutig. Es gibt da oben am Berg kein richtig oder falsch. Es gibt nur möglich oder unmöglich. Meine Tagesform ist nicht da. Also weitermachen ist für mich heute unmöglich.

Ich sage zu Gitta, die sich in der Zwischenzeit ein wenig aufgewärmt und kurz erholt hat: " wenn Du die Kraft hast, geh hoch, geh mit Andy. Bring unseren Wein mit hoch. Ich warte hier auf Euch.